Fränkische Nachrichten, 21.10.2019

Faszinierender Reichtum an Klangfarben

Ungewöhnlich berührendes Konzert in der Schlosskirche mit Musik von John Rutter

Einen tiefen und nachhaltigen Eindruck hinterließ die jüngste Vorstellung des Chor Cappella Nova unter Karl Rathgeber in der zu diesem Anlass wieder gut besuchten Schlosskirche. Gewidmet war sie allein dem englischen Komponisten John Rutter, dessen 1985 entstandenes „Requiem“, ergänzt durch zwei weitere Chorstücke und ein Werk für Orgel zu vier Händen, im Zentrum des gut einstündigen Konzerts standen.

Sakralmusik

Der 1945 geborene Komponist zählt seit mehr als vier Jahrzehnten zu den weltweit führenden Meistern auf dem Gebiet der Sakralmusik, vor allem durch seine Chorkompositionen, von der auch bei Auftritten des Chor Cappella Nova immer mal wieder Beispiele zu hören waren, aber auch im Bereich der Instrumentalmusik. Das – wenn man so will – Besondere an Rutters Schaffen ist, dass es sich hier um zeitgenössische Musik handelt, die auch bei einem breiten Publikum spontan Anklang fand und findet. Mit betont einfachen, der Tradition der Tonalität verpflichteten Mitteln und ihrem schlichten, unmittelbaren, dem Hörer „zu Herzen gehenden“ Ausdruck erzeugt sie Wirkungen von großer Eindringlichkeit und zeigt Möglichkeiten einer zeitgemäßen oder vielleicht besser: zeitlosen Spiritualität, die ebenso der gregorianischen Epoche wie der des 20. und 21. Jahrhunderts angehören kann – vergleichbar der ihr wesensverwandten Musik der „neuen Einfachheit“ des Esten Aarvo Pärt.

Vergleich mit Brahms

Rutters „Requiem“, das seit seiner Uraufführung in den USA mehr als 500 mal aufgeführt wurde, ist in mancher Hinsicht mit dem „Deutschen Requiem“ von Johannes Brahms zu vergleichen: Auch hier sind die überkommenen liturgischen Texte, das „Requiem aeternam“, das „Sanctus“, das „Agnus Dei“ usw. durch selbst gewählte geistliche Texte ergänzt, hier Psalmenworte aus dem „Book of common prayer“, der traditionelle Rahmen wird wie bei Brahms zu einer persönlichen Aussage erweitert und modifiziert. Der Aufbau ist symmetrisch, Anfang und Ende entsprechen sich, im Zentrum steht das „Sanctus“.

Gegeben wurde das „Requiem“ in der Schlosskirche in einer Version für Chor und Kammerensemble (Orgel, Pauken, Harfe, Glockenspiel, Cello, Flöte und Oboe plus Solosopran), eine eigentlich bescheidene Besetzung, die jedoch durch Rutters meisterhafte und inhaltsbezogene, sinnfällige Instrumentierung eine ungewöhnliche Vielfalt und einen faszinierenden Reichtum an Klangfarben ermöglicht. Pastorale Idylle wird durch die zwei Holzbläser angedeutet wie etwa im Psalm „The Lord is my shepherd“, das begleitende Cello färbt das dunkel aufseufzende, gospelgeprägte Melos in der Nummer „Out of the deep“ (der berühmte „De profundis“-Psalm 130), wogegen im zentralen Sanctus ein festlich jubilierendes Glockenspiel-Ostinato einen hoffnungsfrohen Kontrapunkt setzt.

Fesselnd

Am meisten fesselnd und ergreifend sind wohl die raffinierten, suggestiven und gleichsam ätherischen Klangmischungen, die der Komponist im Zusammenwirken von Chor und Instrumentalensemble (charakteristisch dabei besonders Orgel und Harfe) erzielt – eindringliche Beschwörungen von Transzendenz und Überwirklichkeit, die in unserer gründlich säkularisierten Epoche ganz aus der Zeit gefallen scheinen.

Emotionale Intensität

Die klangliche Dichte, Präsenz und emotionale Intensität, mit der die Sänger des Chor Cappella Nova unter Leitung von Karl Rathgeber aufwarteten, die Sauberkeit und Brillanz der Intonation und die von pianissimo bis fortissimo, vielfach abgestufte, spannungsvoll gleitende Dynamik waren bewundernswert – mit Höhepunkten beispielsweise im bluesigen „Out of the deep“, dem fulminanten „Sanctus“ oder der kultiviert gedämpften Klanglichkeit des „Agnus Dei“.

Ein Sonderapplaus galt zu Recht der Leistung der Sopranistin Anna Nesyba, die in ihren Solopartien mit mädchenhafter Lieblichkeit und zart empfundener Lyrik und im Wechselspiel mit Flöte und Oboe im abschließenden entrückten (und am Ende nochmals als Zugabe wiederholten) „Lux aeterna“ aufhorchen ließ. Nicht minder eindrucksvoll war, wie die beiden Organisten Ariane Metz und Karl Rathgeber in den vierhändigen „Variations on an Easter theme“ aus den farblich und dynamisch sorgfältig gestuften Haupt- und Nebenstimmen eine faszinierende, gleichsam plastische Klang-Architektur entwickelten.

Die wundervoll ruhevolle und friedliche Stimmungshaftigkeit des eigenständigen Chorsatzes „The Lord bless you and keep you“ ließ das ungewöhnlich berührende Konzert in der Schlosskirche passend ausklingen.

Thomas Hess

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