Fränkische Nachrichten, 15.01.2016

Fesselnd, facettenreich und ausdrucksintensiv

Chor Cappella Nova führt in der Bad Mergentheimer Schlosskirche Bachs h-moll-Messe auf

Mit einem über fünfminütigen (es hätten gut und gerne auch zehn Minuten sein können) Schlussapplaus wurde in der voll besetzten Bad Mergentheimer Schlosskirche die jüngste, knapp zweistündige Aufführung des überregional bekannten und renommierten Chors "Cappella Nova" unter seinem Leiter Walter Johannes Beck gefeiert: Kein geringeres Werk als Johann Sebastian Bachs Messe in h-moll stand auf dem Programm - in einer ungemein fesselnden, facettenreichen und ausdrucksintensiven Interpretation des Chors im Verein mit dem "Cappella Nova"-Orchester und vier Gesangssolisten, die einen Platz unter den außergewöhnlichsten Mergentheimer Musikereignissen der letzten Jahre beanspruchen kann.

Bachs h-moll-Messe, eine Messe nach lateinisch-katholischem Ritus, in den Jahren zwischen 1746 und 1748 vollendet, doch erst 1859 - im Zug der Bach-Renaissance des 19. Jahrhunderts - zum ersten Mal ganz uraufgeführt, ist im Übrigen nicht wie fast alle Meisterwerke seit der klassischen Epoche in einem Zug komponiert worden, sondern zum größten Teil aus Bearbeitungen früherer Bach-Kompositionen, Kantaten oder auch Instrumentalkonzerte, die eigens zu diesem Zweck neu bearbeitet wurden, zusammengesetzt worden.

Gleichwohl entstand durch die unvergleichliche Meisterschaft von Bachs inhaltlich zielgerichteter Chor- und Orchesterbehandlung zwischen "Kyrie" und "Agnus Dei" mit den großen Schwerpunkten des "Gloria" und des "Credo" dazwischen ein ebenso vielgestaltiges wie homogenes Ganzes von so überwältigender Wirkung, dass man die h-moll-Messe zu Recht als die "künstlerisch-spirituelle Summe von Bachs Leben" (Walter Johannes Beck) und die wohl größte Schöpfung der geistlichen Musik in christlich-abendländischer Tradition ansehen kann.

Kennzeichnend für die Tonsprache der h-moll-Messe (wie auch für viel andere der großen Bach-Schöpfungen) ist, dass sie durch eine sparsame vokal-instrumentale Besetzung (wie sie im Rahmen der Bad Mergentheimer Schlosskirche unvermeidlich war) eher noch gewinnt, da auf dieser Grundlage die charakteristischen Qualitäten und der Geist dieser Musik - ihre sprachmächtige Deutlichkeit und ausdrucksvolle Artikuliertheit, die Transparenz bei größter stimmlicher Vielfalt viel besser hörbar realisiert werden können als mit einem breiten Klang-Massenaufgebot, wie es etwa der romantischen Ästhetik entspräche.

Dieser innere Reichtum und die emotionale Stärke und Tiefe der h-Moll Messe kamen in der Schlosskirchen-Aufführung auf beeindruckende, vielfach ergreifende Weise zum Tragen. Nicht nur durch das spürbare, hingebungsvolle Engagement von Chor, Orchester und Solisten, sondern auch als Resultat eines gemeinsamen Musizierens auf technisch hohem Niveau, unter dem überaus wachen, spannungsvollen und flexiblen, rhythmisch und agogisch lebendigen und inhaltsorientierten Dirigat von Walter Johannes Beck, mit einem vier- bis sechsstimmigen, vor allem von den jungen Sopranen gefestigten und mit stimmlichem Glanz versehenen "Cappella Nova"-Chor, der in bestimmten Momenten - etwa dem verinnerlichten "Gratias agimus" des Gloria, das zum Ende des "Agnus Dei" wieder auftaucht, dem "Et ressurexit" des Credo oder den festlich-emphatischen Schlusschören des Gloria und Credo, diesen kontrapunktischen Wunderwerken mit ihren finalen Steigerungen über sich hinauswuchs, einer zuverlässig agierenden Basso-continuo-Gruppe, einem klangschön und beseelt agierenden Orchester, gekrönt von beeindruckenden solistischen Leistungen, von denen pars pro toto Konzertmeister Stefan Knothe, Sonja Artmann und Wolfgang Auer (Flöten), Rolf-Peter Barth und Martin Thorwart (Oboe bzw. Oboe d’amore) und die drei Trompeter Moritz Berendes, Daniel Stürmer und Ernst Berendes genannt werden sollen.

In bestechender Form, mit betörender Schönheit und Stimmkultur präsentierten sich die vier Gesangssolisten in ihren Duetten und Solo-Arien: Die noble und ausdrucksstarke Altistin Anne Greiling, ihre schmelzend süß kolorierende Kollegin Katharina Persicke (Sopran), der hier wohlbekannte Bassist Franz Xaver Schlecht, der vor allem seine zweite Solonummer aus dem Credo "Et in spiritum sanctum" mit wunderbar warmem Ton gestaltete und last but not least der international renommierte Ausnahmesänger Andreas Weller, seines Zeichens Oratorientenor der Spitzenklasse und hier gleichfalls nicht mehr ganz unbekannt, der sein flötenbegleitetes "Benedictus" (aus dem Sanctus) in schlackenloser Reinheit erstrahlen ließ.

Thomas Hess

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